Lettland -  Sveicinati

... am Mittwoch 05.07.2017 nachmittags bin ich wieder ganz unspektakulär in Lettland eingereist- Danke EU, dass dies so möglich ist.

Autoländerkennzeichen LV, auch hier ziemlich gute neuwertige Autos unterwegs.

Lettland ist ein kleines baltisches Land, grenzt an Litauen,Weissrussland, Polen, Estland und die Ostsee. Die Hauptstadt ist Riga. Auch Lettland war jahrhundertelang ein Spielball/ Machtobjekt stärkerer Nachbarn, wie Schweden, Polen, Russland und Deutschland. Auch hier gab es Progrome und Verschleppungen im und nach dem 2. WK. In Sowjetzeiten wurde viele Russen angesiedelt. Auch heute noch leben sehr viele Russen in Lettland. Nach der erneuten Unabhängigkeit 1991 wurde die lettische Sprache wieder Amtssprache und wer lettischer Staatsbürger werden will, nun auch mit den Freizügigkeits-Rechten als EU-Bürger, muss lettisch sprechen und Kenntnisse der lettischen Geschichte nachweisen. Dem widersetzen sich aber nach wie vor sehr viele russischstämmige Bürger. Diese haben nämlich Reisefreiheit nach Russland. Allerdings haben nur lettische Staatsbürger Wahlrecht, so dass ein Bürgerbegehren zur Wiedereinführung des Russischen als zweite Amtssprache keinen Erfolg hatte. So gibt es innenpolitisch immer wieder Spannungen.

 

 

Ich bin auf dem Beach-Parkplatz Nähe Jürmalciems kurz hinter der lettischen Grenze. Es ist endlich Traumwetter, ein menschenleerer Strand, Ruhe, Sonne, Faulenzen, Strandspazieren, in den Dünen gucken, was so wächst. In einem zweiten deutschen WoMo fand ich gute Nachbarn mit Gesprächen und geteiltem Essen und Zuprosten.

 

 

2x bin ich sogar ins Wasser gesprungen, obwohl es immer noch ziemlich kalt ist. Das Wasser ist nicht sehr salzig, ich spüle auch das Geschirr im Meer, fettiges wird mit Sand gereinigt. So liebe ich das. Was gab es zu sehen?

 

 

Ein Riesentraktor kommt, hat auf einem Anhänger ein Fischerboot huckepack, fährt rückwärts ins Wasser bis das Boot selbst schwimmt. Rückzu die gleiche Prozedur umgekehrt, mit dem nicht kleinen Boot gehts wieder "nach Hause". Ein schönes Schauspiel.

 

Ganz besonders erregte unser Interesse eine Gruppe, die ein Zelt aufbauten, eine Leiter und viele anderes Zeug auspackten. Ich dachte schon, heut wird es laut am Strand, das sieht nach Party aus. Aber Nein. Ein Model, eine sehr große, sehr dünne Person, hübsch mit blonden langen Haaren, musste sich immer wieder in einen anderen Badeanzug kleiden, aber bei dem kalten Wind hatte sie es nicht leicht. Wie retuschieren sie wohl die Gänsehaut weg?. Sie posierte vor einer weissen Leinwand. Manchmal wurde eine Palme neben ihr Gesicht gehalten, ein anderer Helfer lenkte mit einem silbernen Schild das Sonnenlicht sehr diffus auf ihr Gesicht, gut sah das schon aus. Zwei mit Kameras standen entweder vor ihr, knieten oder stiegen auf eine Leiter. Die Fotos würde ich wirklich gerne sehen. Aber was für ein Aufwand für ein paar Modelfotos.

 

Da ist mir mein praktisches Dasein lieber, zum Mittag gab`s einen Kartoffelsalat. Und am Abend hab ich wieder beim Sonnenuntergang getrommelt.

An solchen Plätzen ohne Massen direkt am Strand ist das wunderbar.

 

 

07.07.17: Heute ist wieder Aufbruch. Mein Ziel ist ja noch weit.

 

Erste Station war das Städtchen Liepaja, mit einem netten Stadtkern, aber das Besondere war der Markt. Im Freien viele Stände mit Kleidung, das waren alles russische Händlerfrauen, die Sachen waren spottbillig, eine weiße leichte Jacke und Socken mussten mit. Obst- und Gemüsestände boten alles an, was zZ zu haben ist, Kirschen, Mandarinen, Pfirsiche, Heidelbeeren, Himbeeren, Erdbeeren en masse. Spottbillig waren die neuen Kartoffeln von 0,30 bis 0,60 €/kg, frische Lauchzwiebeln, Karotten..... usw.

Im schönen Markthallengebäude von 1910 gab es Fleisch, Wurst, Fisch, Backwaren, Käse und alle Milchprodukte, Süsses und Torten,, die Konfekte , die ich von früher von der Sowjetunion kenne.

Ich war angesichts der Preise dann auch ein wenig im Kaufrausch, 2 Scheiben Schweinekamm zum Grillen, Schinken, Rigaer Salami- spottbillig, ich konnte es nicht glauben, Joghurt, süße Backwaren, gelbe Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, Gurke, Kirschen... am Ende musste ich erst zum Auto zurückgehen, um alles abzuladen und in die Kühlbox zu bringen. Dann zog ich nochmals los, besah mir die Annenkirche, spazierte durch die Fussgängerzone und durch den Park zum Strand und dann ging es wieder auf Fahrt nach Norden.

Da ich nochmal so ein schönes Plätzchen suchen wollte, musste es eine 20 km offroad-Strecke sein, alles völlig eingestaubt danach.. Ich war am Leuchtturm Akmenrage baka, 10 km hinter  dem Nest Ziemupe. Ein roter alter Leutturm, und der Hit, ich kann im Gelände auf einer Wiese 30 m vom Meer entfernt stehen für 2,15 € !!, hab grosszügig 3 € gegeben. Wasser und Trockenklo inclusive. Am windgeschützen Essplatz mit Meerblick hab ich mir die Fleischstücke gegrillt, hoffentlich gibt das keine Vergiftung nach 2 Wochen vegetarisch. Geschirrspülen incl Grillsäubern wieder im Meereswasser. Hier im Gelände wohnt eine Familie und eine alte Frau, die nur russisch spricht, früher waren hier sicher mehr Menschen, die alten zerfallenen Gebäude zeigen es. Aber es gibt einen Platz für Zelte, Garten, Hühner, Fischräucherofen und alle paar Stunden fahren sie zum Angeln raus. Ein junger Mann von den Besitzern brachte einen Aal stolz an der Angel.

Mein Abendtrommeln an diesem einsamen Strand soll morgen wieder gutes Wetter bringen.

Der Himmel ist bedeckt, aber total windstill, eine riesige Seltenheit hier am Meer. So kann ich draussen bis 23 Uhr bei gutem Licht mein Tagebuch in den Laptop klopfen.

 

 

Samstag 08. Juli 2017

 

Die Nacht am Leuchtturm war sehr ruhig und gemütlich, es ist immer noch kein Wind, aber leider ziemlich bedeckter Himmel, und kühl wieder. Ich mache mein Frühstück lieber drinnen und beschliesse, weil es eh nicht drängt und hier so eine gute Internetverbindung mit meinem O2-Stick klappt, meinen Blog weiter zu schreiben. Über Lettland habe ich ja noch nichts geschrieben.

 

Der weil fängt es leicht zu regnen an, aber keine Eile, mein blog wird fertig. Am Morgen bin ich nackt ins Wasser gesprungen, das war evtl etwas gewagt, weil die Besitzer aufm Fischerboot draussen waren, bin aber weit genug weggegangen. Die werden eh denken, was ich für eine Verrückte bin.

 

Auf`m Grundstück begegne ich dann noch einer ganz alten Frau, die russisch spricht und mit ihr kann ich ein kurzes Gespräch machen, ob ich allein bin, ihr Mann ist gestorben, sie wohnt seit 50 Jahren in dem gelben Haus ( was schon ziemlich bedüftig aussieht), aber allein ist es schwer. Ich sei doch noch jung, ich solle nochmal heiraten! Sie geht dann ihre Hühner füttern und hutschelt so dahin. Sonst sehe ich keinen Kontakt mit ihr zu den Besitzern .

 

Erst kurz nach dem Mittag fahre ich los, wieder 13 km steinige Strasse, aber zum Glück hat der Regen es etwas angefeuchtet, so dass es nicht mehr so staubt. Einmal bin ich am rechten Rand in den Sand geraten, da ist mein Auto geschwommen, ohne dass ich was tun konnte. Also Vorsicht, Karin !! Volle Konzentration, auch wenn keine Autos kommen auf dieser einsamen Strasse. Endlich bin ich wieder auf festem Boden und fahren dann bis nach Ventspils, eine reiche Stadt durch den Hafen ( Ölhafen für Russland), eine riesige Stahlkonstruktion mit Fontänen und heissem Dampf am Stadteingang, dies ist einem Segelschiff des 17. Jh nachgebildet und hat mehrere Architektenpreise gewonnen. Ich kaufe noch ein paar Lebensmittel und ein schönes Glas für Bier und Wein, Glas hat einfach mehr Stil.

 

Am Spätnachmittag gehts endlich weiter nach Norden immer die Strasse Richtung Kolka entlang. Links die Ostsee. Kolka ist die Landspitze, an der sich die offene Ostsee und der Rigaer Meerbusen treffen. Ein weit vorgeschobenes Stück Land, herrlich voller Wald, Naturschutzgebiet an der Spitze und fast kein Verkehr. Immer schnurgerade geht es dahin, Kiefern, Birken, etwas Heide, Blumen an der Strasse und ab und zu ein Wegweiser zu einem Dörfchen. Es ist ermüdend, das zu fahren, aber man darf trotzdem nicht unaufmerksam werden. 

Lettische Höfe liegen immer etwas zurückgesetzt von der Strasse, so dass jede Familie ein Namensschild an der Strasse hat, meist sehr schön auf Holz gestaltet.

Gleich zu Beginn des Nationalparks zweigt links ein Strässchen ab nach Sikrags, 1 km Schlängelsträsschen, dann ein Parkplatz direkt am Meer, Düne, dann Strand, sogar mit Trockenklo. Schöner Platz zum Bleiben, ich spaziere noch ein wenig am Strand. Es ist wirklich kühl, aber ganz windstill. ein paar Angler stehen da, jeder hat 3 Angelruten in Halterungen gesteckt und die werden weit hinaus geworfen, hinter die Sandbank.

 

Abendbrot mach ich drinnen, lese und kreuzworträtsele noch und beim Dunkelwerden wird wieder das Bett gebaut da oben.

 

 

 

Sonntag, 09. Juli 2017

 

Trotz Schönwettermeldung hat es nachts wieder geregnet, also wieder Frühstück drinnen und kein Morgenbad im Meer. Gegen 11 bin ich abfahrtsbereit, kurz vor der Strasse ein Schild nach rechts einen Waldweg mit einer Sehenswürdigkeit, ein Friedhof wahrscheinlich. Ich lasse das Auto an der Ecke stehen und gehe den Weg rein. Nach 400m finde ich die ersten Pfifferlinge, habe natürlich wieder keinen Beutel, kein Messer dabei und entschliesse mich, nochmal zurück zu gehen. Pfifferlinge sind den Weg wert. Und dann kenne ich keine Zeit mehr, in einem Wald ganz allein, eine totale Ruhe, nur wenige Vögel sind da und ich gehe langsam suchend auf und ab. Direkt am Wege oft die Pfifferlinge , meist sehr kleine, die größeren wurden sicher schon gefunden, oder sie kommen wirklich gerade erst raus. Rechts von mir sind spärlich zwei/ drei Gehöfte, so dass ich mich orientieren kann.

Über zwei Stunden hab ich gesucht, mich von Mücken ärgern lassen und meine Plastdose ist ziemlich gut gefüllt. Echt genial, auf diese Mahlzeit freue ich mich jetzt schon sehr. Auch einige Heidelbeeren gab`s direkt in den Mund hinein.

Es ist schon nach 14 Uhr, als ich endlich aufbreche, noch weiter nach Norden, bis Kolka ca 25 km noch. Die sind schnell abgeschnurrt, auch heute fast kein Verkehr. Am Ende in Kolka, dann wieder einmal mehr Menschen, an der Spitze gibt es einen Parkplatz, 3€ die Stunde!!, soviel haben die letzten 4 Nächte nicht gekostet! Aber ich bleibe da, gehe die 200m zu Fuss zur Landspitze Kolka und sehe: eine Landspitze und Meer von beiden Seiten. Trotzdem ein schöner Ort, es ist schön, da zu stehen, wo die nördlichste Spitze dieser Halbinsel ist. Das ist auch fast die nördlichste Stelle von Lettland.

 

An solchen Sehenswürdigkeiten, manchmal auch am Strand in ganz kleinen Dörfern stehen sehr oft Tafeln mit Erläuterungen zur Geschichte, zur Natur, zu den Erhaltungsmassnahmen, den Naturschutz, die Wiederherstellung der früheren natürlichen Gegebenheiten und Informationen zum Leben der Menschen in dieser Region. Diese Informationen finde ich ganz toll, kann man sich doch damit erst ein Bild von diesem Stück Erde machen und die Zusammenhänge verstehen. Übrigens, bemerkenswert finde ich, dass diese Informationstafeln neben lettisch immer auch in englisch verfasst sind, aber nie in russisch. Ich bin so froh, dass ich das in Englisch einigermassen verstehen kann.

 

(Und - ebenfalls ganz toll für die Verständigung - die Letten sprechen englisch, zumindest die, die nach 1991 noch zur Schule gegangen sind.)

 

Regelmässig sind an der gesamten Westküste Lettlands hier Informationen über die Zeit der Sowjetgrenzen dabei, dies war ja Grenz- und Sperrgebiet. Natürlich ist sehr verständlich, dass die Menschen unter dieser plötzlichen Grenzsituation nach 1945 zwischen zwei politischen Systemen gelitten haben/ eingeschränkt waren bzw sogar ihre Berufe als Fischer aufgeben mussten. Doch in Kolka lese ich zum erstenmal auch eine Aussage darüber, dass die russischen Grenzer und Armeeangehörigen sich im Dorfleben, in den Schulen, im wirtschaftlichen und kulturellen Leben der Menschen mit engagiert haben und ... wie zu erwarten, auch gute Kontakte zu den Mädchen des Dorfes hatten.....

 

Nun ja, die Nordspitze dieses Ausfluges ist erreicht und ich habe ein wunderbares Naturschutzgebiet ein wenig kennengelernt, nun geht es nach einer Nachmittags-Kaffeepause imAuto wieder nach Süden 100 km Richtung Riga, immer an der Westküste der Rigaer Bucht entlang. Die Strassen sind gut und wieder hab ich sie fast für mich alleine.

 

Aber in Riga möchte ich ja noch gar nicht ankommen, wenn ich eine schöne Stelle finde, bleib ich nochmal an der Rigaer Bucht am Wasser. Dachte ich so.

 

Es gab einige Campingplätze, aber die wollte ich nicht. Von einem Pipi-Stop brachte ich eine weitere Auffüllung meiner Pilzdose mit. Diesmal auch Butterpilze. Ein Traum. Dann wurde es langsam Zeit für`s abendliche Sesshaftwerden, aber es fand sich kein Platz am Wasser, immer Grundstücke oder gesperrte Waldwege.

Aber ca 40 km vor Riga gibt es ein Naturschutzgebiet, Engures Jezers, (Engure Lake). ein sehr interessantes Gebiet, da sich kaum 2/3 km vom Meer entfernt ein riesiges Süsswasser-Seengebiet befindet, ein Vogelparadies.

Und genau bei diesem Wegweiser kam meine Entscheidung: nach rechts abbiegen! Knapp 2 km Holperstrasse, ein Parkplatz mit Bänken, Grillplatz, Trockenklo. Hoppla,so gefällt mir das.

 

Es war noch etwas Zeit, so spazierte ich erst einmal in die Ornithologische Station und den Park. Die Seen sind sehr flach, verschilft und verkrautet, deshalb gibt es seit dem Jahr 2000 ein Programm zur Auswilderung von Rindern und Pferden. Rassen, die sich dafür eignen, die frei im Park leben, nicht gefüttert werden und im Seengebiet das ganze Jahr über weiden. Damit konnte der frühere natürliche Wasserkreislauf im gesamten Seengebiet wieder hergestellt werden. In diesen Seen sind Wasservögel an masse zuhause, viele Pflanzen, Orchideen und Vögel der Roten Liste und in den Zeiten der Vogelzüge sind besonders viele Vögel da.

Ich spazierte also am Abend noch bis zu einer Aussichtsplattform und beobachtete eine Weile. Herrlich, ein Gekreische.

Zurück am Auto war ich so langsam die Letzte am Parkplatz und begann mein Abendbrot zu brutzeln, schliesslich musste ich die gefundenen Pfifferlinge essen. An dem Abend scahffte ich nur die Hälfte, aber so ein Genuss. Wie viele Jahre ist es her, dass ich Pfifferlinge gefunden habe?

Es war schon fast dunkel, da kam nochmals ein Auto. Wenn man allein da steht, guckt man ja erstmal vorsichtig aus dem Autofenster, was sich da tut. Aber Entspannung- ein junger Mann leerte alle Papierkörbe am Parkplatz... super! 

 

Montag, 10.07.2017

 

Es war eine ruhige Nacht und ich war schon früh am Morgen wach.

Na. denke ich, dann beginne ich den Tag mal aktiv und mache einen Morgenspaziergang zum Aussichtsturm, mal sehen, was sich morgens bei den Vögeln tut.

Gedacht und nach einer Weile auch getan... gegen 7 Uhr marschierte ich los. Herrlich, ich war die erste im Park, Als ich zum Gatter komme, um über die Laufstege im Seengebiet zum Beobachtungsturm zu gehen, sehe ich schon, dass die Rinder in der Nähe der Laufstege sind. Oh, da sehe ich die auch ganz nah, mehrere Mutterkühe mit ihren Kälbern, alle Kühe haben Hörner, schön gebogen zum Teil.

An zwei Kühen muss ich ziemlich nah vorbei und besteige den Turm. Doch dann habe ich wenig Auge für die Vögel im Seengebiet vor mir, sondern schaue fast nur zurück zu den Rindern, die sich nämlich alle in meine Richtung auf den Turm zubewegen und neben den Laufstegen stehen bleiben. Sie sind neugierig. Ich wäre das auch.... Aber so , wie komme ich denn bei denen durch wieder zurück? Auf der Info-Tafel stand, man soll sich ihnen nur bis auf 25 m nähern, es seien schliesslich wilde Tiere- keine Stall-Kuschelkühe.

Ach du Schreck, sie bleiben und warten. Also ich muss da jetzt durch, das wird nicht besser! Ich steige vom Turm - ich habe keine Vögel beobachtet - und gehe ganz langsam, stumm, alles ängstlich beobachtend zwischen den Rindern hindurch- es passiert nichts, sie gucken neugierig und bleiben ganz ruhig. Die Mutterkühe haben ihre Kälber alle bei sich. Zum Glück.

 

Mein Gott, ich atme erst auf, als ich das Gatter wieder hinter mir schliessen kann.

Was nützen die Tips auf den Tafeln, wenn die Kühe das nicht gelesen haben?

Nach diesem Morgenerlebnis schmeckte mir der Kaffee und das Frühstück sehr gut und ich bedankte mich wieder einmal für diesen schönen nächtlichen Standplatz inmitten der Natur.


 

Die Fahrt bis Riga dauert dann ca 2 Std und auf einer Halbinsel der Daugava checke ich beim Citycamping Riga ein. Alle WoMo`s stehen zwar in Reih und Glied, aber wenigstens ist etwas Wiese für jeden da.

Mein km-Stand lautet: 100.065, das sind von zu Hause 5.095 gefahrene km.

Es ist alles schon so normal, dass ich hier ankomme. Früher waren diese Orte für mich grosse Unbekannte . Riga - unglaublich, wo ich bin.

 

Nach Salatstärkung schwinge ich mich wieder aufs Rad zur Stadtbesichtigung. Die Fahrt ist ca. 15 min, man überquert den Fluss auf einer wunderschönen Brücke und schon ist man mitten in der Altstadt von Riga. Riga ist die grösste Stadt des Baltikums, liegt am Fluss Daugava, der vor Riga ins Meer mündet, d.h. in den Rigaer Meerbusen, als speziellen Teil der Ostsee. Riga war 2014 Kulturhauptstadt Europas und dieser Titel ist eine grosse Anerkennung für die Leistungen in der Stadtentwicklung.

Ich habe einen Kartenausschnitt abfotografiert, um zu zeigen, wie die Lage der Kolka-Spitze, die ich komplett umrundet habe und Riga am Rigaer Meerbusen ist.

 

Kurz etwas Geschichtliches:

 

Riga ist über 800 Jahre alt und erlangte als Handelsknotenpunkt in Livland erste Bedeutung, schon kurze Zeit später wurde Riga Mitglied der Hanse. Auch hier wurde der Deutsche Orden aktiv und nach diversen Schlachten als Schutzmacht Livlands im 15. Jh anerkannt. Schweden, Russen, Deutsche erhoben immer wieder Anspruch auf diese militärisch und wirtschaftlich strategisch günstig gelegene Stadt. Im 19. Jh. wurde Riga unter russischer Herrschaft einer der wichtigsten Hafenstädte. Aber die deutsche Oberschicht der Einwohner behielt lange die Oberhand, deutsch war Amtssprache bis 1891. Nach dem 1. Wk wurde in Riga die lettische Unabhängigkeit ausgerufen. Im Pakt zwischen Hitler und Stalin 1939 wurde das Baltikum der Sowjetunion zugeschlagen und viele Letten deportiert.

Unter deutscher Herrschaft ab 1941 wurde die jüdische Bevölkerung im Rigaer Ghetto interniert und in umliegenden Lagern und im Wald von Bikernieki umgebracht. Nach dem 2. Wk wurde Lettland erneut in die Sowjetunion eingegliedert. Erst 1990 im Zuge von Perestroika erklärte Lettland seine Unabhängigkeit, die nach zeitweiliger Besetzung 1991 anerkannt wurde.

 

Nun etwas zu meinem Eindruck:

Die Altstadt ist ein relativ grosses Areal mit wunderschönen Sehenswürdigkeiten, man streift durch Gassen und gewinnt immer wieder überraschende Ausblicke auf Kirchen, alte Bürgerhäuser aus dem Mittelalter, Parkanlagen und Plätze. Ich habe oft mein Fahrrad stehen gelassen und bin durch die Gassen gebummelt, in Kirchen aller Konfessionen reingeschaut, Orgelmusik gehört, habe das Flair und die optischen Eindrücke mehr als genossen. Eine große Vielfalt von tollen Jugendstilgebäuden aus dem 19./20. Jh. außerhalb des Altstadtkerns rundete die Stadtbesichtigung ab.

Highlights an Gebäuden waren der Dom mit dem grossen Domplatz, die Häuser der Drei Brüder aus dem Mittelalter, das Schwarzhäupterhaus. Der Fluss Daugava mit seinen Brücken bildet eine tolle Auflockerung, gegenüber dem Altstadtteil die neuen architektonischen Highlights , die Nationalbibliothek und das Hochaus der SwedBank. Direkt am Fluss gibt es ein offenes Bade- und Sportareal. Der grosse Vorteil der Stadtbesichtigung per Rad ist, dass ich den Umkreis der Besichtigung wesentlich erweitern kann und nicht nur im zugegeben touristischen Zentrum bleibe. Da waren die alten Speicher der Händler restauriert, dann staunte ich wieder über das Riesenbauwerk der Akademie der Wissenschaften und plötzlich erstrahlten vor mir die Kuppeln einer grossen russisch-orthodoxen Kirche.

Aber es waren wesentlich weniger Touristen unterwegs, als ich vermutet hatte. Demgegenüber eine Vielzahl von kleinen, feinen Cafes, Restaurants , Bars, die allesamt zum Wühlfühlen einluden.

Übrigens gibt es in Riga noch O-Busse, also elektrisch betriebene Busse, deshalb durchziehen oft Kabel meine Fotos. In Deutschland gibt es O-Busse nur noch in 3 Orten von ehemals 65.

Macht hier mit mir einen Spaziergang durch diese Stadt.

 

Ich hatte grosse Erwartungen an Riga, die wurden noch übertroffen, zwei Tage genügen gar nicht zum Bummeln und Schauen. Ich kann allen Neugierigen auf die östlichen Europa-Länder Riga unbedingt empfehlen.  Das geht auch mit Schiff, man muss nicht die ganze Strecke auf dem Land zurücklegen wie ich. Von Kiel fährt ein Schiff bis Klaipeda in Litauen, es gibt Flüge und vor meinen Augen legte gerade ein Riesenschiff der Aida am Pier von Riga an, monumental das Ganze.

Dienstag 11.07.2016- ein zweiter Tag in Riga

Heute wollte ich eine Stadtrundfahrt mitmachen, leider fuhr der Bus eher als ich mit Kaffee fertig war.

Also unternahm ich gleich die Radeltour zum Rigaer Markt. Er heisst Centraltirgus und war 1930 nach Eröffnung der grösste und modernste in ganz Europa. Er ist täglich geöffnet und es ist ein Riesengewusel. In 5 grossen Hallen und auf einem riesigen Freigelände wird alles angeboten, was man sich denken kann: eine Halle für Fleisch ( sogar auch Halal) , eine für Milchprodukte, eine für Gemüse, die aber ziemlich unscheinbar war gegenüber dem massenhaften Angebot auf den Freiflächen, eine für Fisch. Und draussen, Blumen, alle Arten von Obst und Gemüse, Kleidung, Haushaltwaren, Schuhe. Und im Apothekenbereich versprach eine Salbe, dass man sich mit 60 wie mit 30 fühlen können nach Verwendung! Viel russisch wurde gesprochen und ich konnte meine Einkäufe selbst in russische Worte fassen, musste nicht nur zeigen. Überwältigt staunte ich über diese Vielfalt. Am Ende landeten in meiner Fahrradpacktasche Hackfleisch, geräucherter Fisch, Kirschen, Frühlingszwiebeln, Kartoffeln, Salat , Rucola, Tomaten, grusinisches Fladenbrot, gefüllte Teigtaschen und Bhaklava. Eine grosse Köstlichkeit ist die süsse Sahne, die ich in meine Salatschüssel zu Öl und Balsamessig mischte.

Ein paar historische Fotos vom Marktgeschehen Mitte 20. Jh waren sehr interessant, damals gab es keine Verkaufsstände, entweder vom Boden oder von Transportkarren wurde verkauft und die heutigen Verkäuferinnen sind keine dicken alten Bauersfrauen mehr, sondern moderne, hübsche, z.T auch junge Frauen.

Weil mir das Marktgeschehen so imponiert hat, davon eine separate Bildergalerie zum Schauen.


 

Am letzten Vormittag in Riga habe ich doch noch an der Stadtrundfahrt Teilgenommen, das fand ich sogar zum Abschluss sehr schön, kennt man doch schon einiges und kann das Neue beser aufnehmen, als Neuling in einer Stadt wird man sonst erschlagen von den vielen Informationen.

Danach habe ich mich noch auf einen Um-Weg gemacht nach Bauska ca.80 km südlich von Riga. Dort ist in der Nähe das Schloss Rundale zu besichtigen. ein barocker Prachtbau von 1740, ein quadratisch angelegter Schlosshof, goldgelb gestrichenes Schlossgebäude und die Räume beeindruckend rekonstuiert und mit vielen Ausstattungen aus der historischen Zeit versehen. Die tollen raumhohen Öfen zB mit blauen Holländermotiven auf den Kacheln sind in Moskau wiederhergestellt worden. Die Rekonstruktion begann schon in den 80er Jahren und Vieles ist in Russland gearbeitet worden. Die Stoffwandverkleidungen und Vorhänge zB zT nach Originalstoffen von Sans Soussi Potsdam gefertigt.

 

Das Schloss ist sehr beeindruckend und die Entstehung ebenfalls ein Abbild vom Aufstieg und Fall des Bauherrn unter den wechselnden Zaren bzw Zarinnen.

E.J. Biron konnte es aus einfachen Verhältnissen als Vertrauter der Zarin zum Grafen und Herzog bringen, begann als solcher den Bau des Schlosses, fiel in Ungnade, wurde nach Todesurteil begnadigt mit Verbannung nach Sibirien. Erst nach nach über 20 Jahren wurde er rehabilitiert und konnte dann dieses Schloss Rundale vollenden bzw. sogar ein zweites Schloss in Jelgava.

 

Ein wunderschöner Abschluss des sonnigen Tages war der Spaziergang im Schlosspark, nach französischem Muster der damaligen Zeit angelegt und heute mit Tausenden Rosenstöcken bepflanzt, alles besondere Züchtungen und von jedem Rosenstock nur eine Pflanze. Da ich zwei wunderbare Rosen entdeckt habe, hier die Fotos mit Namen, eine davon huldigt eine uns gut bekannte Person, das freut mich sehr.

 

Auf einem Parkplatz hinterm Schloss fand ich einen Platz für die Nacht neben einem zweiten deutschen WoMo, wir hatten einen netten Abend zusammen.

 

Allerdings, der Platz war nur von Wiesen und Hecken umgeben, das ist eigentlich nicht meine Standortwahl, da es schwierig ist, dann einen stillen geschützten Ort zu finden. Und solch ein schönes Teil, wie imSchloss ausgestellt, habe ich leider nicht.

 

Was gibt es zu berichten, wenn ein ganzer Tag wieder so total verregnet ist, dass es unmöglich war, vom Supermarkt ins Auto zurück zu gelangen.

Alle potentiellen Sehenswürdigkeiten unterwegs musste ich auslassen.

Schließlich fuhr ich durch bis zum Gauja-Nationalpark, dem wohl schönsten NP Lettlands. Und genau vor dem NP-Eingang fand ich im Regen auch einen passablen Übernachtungsplatz, an einem Friedhof, sogar mit Klo ausgestattet, zugegeben ein Trockenklo.

Aber schön ruhig. Nur am nächsten Morgen wurde ich ungläubig beäugt, was denn ein solches Auto dort wohl zu suchen hat.

Angekommen im Gauja- Nationalpark noch ziemlich früh am nächsten, wieder sonnigen, Vormittag finde ich in Cesis einen wunderschönen Natur-Campingplatz, weitläufig, viel Wiese, Bäume und direkt am Fluss Gauja gelegen. Herrlich. Und dieser kosten auch nur 14 € mit Strom und WLAN.

Fast leer ist es, was aber am Abend radikal anders ist. Jetzt sind viele Jugendgruppen da, natürlich auch einige WoMo`s mehr und lettische Familien auf Wochenendcamping mit Feuer, Grillen, Tischen voller Essen und Spielen. Und auf der Gauja schwimmt auch immer wieder ein Boot mit seeehr lustigen Jugendlichen vorbei,

 

Zum Eingewöhnen bin ich den kleinen 5 km langen Walk durch den Wald gegangen, mit Quelle, Höhle und roten Felsen.

 

Sogar zum Sonnen und Lesen bin ich wieder mal gekommen. Herrlich, einfach eine Ruhepause einlegen vom Fahren.

 

 

Man kann lange abends draussen sitzen, aber die Mücken kommen zum Frass.

 

Am nächsten Tag Radeltour durch die Wälder. Statt markierter Wege habe ich im Wald einen Fleck mit Massen von Heidelbeeren gefunden, zum Glück eine grosse Dose dabei. Das war herrlich so mutterseelenalleine im Wald. Mein Weiterweg war schwierig mit der Orientierung und eine Schlammpfütze wollte mich partout nicht loslassen. Zum Abendbrot gabs was ganz leckeres. Drei Eierkuchen ( bayrisch: Pfannkuchen) gebacken  mit Heidelbeeren gefüllt, das bietet kein Restaurant so gut. Ich bin wieder total voll "gefressen", anders kann man das gar nicht sagen, was ich für Portionen verdrücke zur Zeit.

Am Abend haben wir uns den lettischen Nachbarn am Feuerchen angeschlossen, das war sehr lustig, sie haben alle die Tische voller Essen und Getränke, spielen Volleyball und Federball und total gefallen hat der Samowar, der mit glühenden Kohlestücken beheizt wird. Narürlich durften wir vom Tschai und Wodka probieren.

Heute am dritten Tag wurde eine Kanutour auf der Gauja Wirklichkeit. Zusammen mit einer jungen deutschen Familie auf Elternzeittour.

Der Fluss ist sehr gemütlich.

Wald, sandige Uferstellen mit weiteren Bootsanlegestellen, ein paar rote Sandsteinfelsformationen wechseln sich ab. Sonst geht es einfach ganz gemächlich dahin. Ist echt entspannend. Die angekündigten Stromschnellen sind auch wirklich nicht schwer zu meistern, es schaukelt ein bissl von den Wellen und wenn man gut hineinfährt in die Stromschnellen passiert gar nichts.

Das war mein letzter Tag im Gauja-NP und der Abschluss von Lettland, morgen geht es weiter nach Estland.

 

 

 


Mein Eindruck von Lettland:

Ich habe mich lange in Lettland aufgehalten , viel länger als ich eigentlich geplant hatte. Das hat gute Gründe.

Das Land gefällt mir ausserordentlich gut. Zum einen die Natur, die Strände , die Wälder, der Beeren- und Pilzreichtum.

Die Mentalität, das nicht alles perfekt ist, so geschleckt wie bei uns in den westlichen Ländern, das man aber überall spürt, was sich getan hat im privaten, im öffentlichen und touristischen Bereich. Die Menschen sind der Natur sehr nahe, sie geniessen diese in Familie, mit Freunden, in Pfadfindergruppen wie bei uns vor 30/ 40 Jahren noch mit kleinen Zelten auf einfachem Niveau. Die Einkommen ist noch niedrig, deshalb die Preise für uns sehr attraktiv. Viele Letten arbeiten im Ausland und sind wegen ihre Fleisses gefragt. Junge Letten lernen heute bis zu 5 Sprachen, lettisch, russisch und englisch sowieso, dazu französisch, evtl Latein. Sie wollen lernen und sich entwickeln.

Ich habe mich hier überall sehr sicher gefühlt. Und dieses Land kommt meinem Gefühl sehr nahe. Ich würde sehr gerne wiederkommen!

Danke Lettland für diese schönen Tage.