nebensächlich, nachdenklich, skurill, erstaunlich...

Wasser:

Woher ich die Sparsamkeit/ Ängste mit Wasser habe ist mir unklar, da sitzt etwas tief in mir drinnen.

Ich habe ja den Luxus eines 35 Liter-Vorrates im WoMo-Tank. Trotzdem - man weiss ja nie - habe ich immer meinen separaten 5-l-Kanister Wasser extra dabei, verwende in der Regel diesen und wenn dieser leer zu werden droht, ist Nachschub dringendst nötig. Da wandere ich dann sogar mal mit dem Kanister in die Toilette der Touri-Info, um dort mit dem  Kochtopf Wasser schöpfen und abzufüllen.    Obwohl der große Tank voll ist!

Es ist ja auch eine besondere Sparsamkeit - um ja kein Wasser unnötig zu verbrauchen- sich am Morgen beim freien Übernachten, nicht wirklich zu waschen, sondern nur ein Feuchttuch zu benutzen bzw. die verwendeten Wassertropfen mehrfach zu nutzen. Z.B. Gemüsewaschen und Geschirrspülen. Ach was sage ich, Gemüsewaschen fällt ja sowieso meist aus, das stählt die Gesundheit.

Ich denke, ich würde mit jedem Wüstenbewohner mühelos mithalten können.

Da kommt mir die Hygienebelehrung im Betrieb in den Sinn, wo das tägliche Duschen zur Pflicht gemacht wird.... Aber ich koche ja nur für mich.


Dies ist meine "Handwaschmaschine", ein echt tolles ( aber auch extrem teures) Teil

ein Beutel, wasserdicht verschliessbar, nachdem Wäsche, Wasser und Waschmittel drin sind, wird die Luft über einen Stöpsel ausgedrückt und dann wird mittels Walken des Beutels, der an der Unterseite innen sogar eine Rubbelfläche hat, die Wäsche gewalkt, ohne dass die Hände die Qual der früheren Waschfrauen mit dem Waschbrett mitmachen müssen.

Genial und schon prima benutzt !


Polen`s vergessene Gegend

Zwei Tage bin ich durch den Nordosten Polens gefahren, auf Strassen, die diesen Namen nicht verdienen.

Es ist das Gebiet nahe der Kaliningrad-Russland-Grenze durch das ich zumindest am ersten Tag bewusst gefahren bin und es noch spannend fand. Da wollte ich ja auch zum Storchendorf.

Heute aber, am Samstag war mein Ziel die Masurischen Seen, zugegeben auch ziemlich im Norden.

Wieso mich das Navi als günstigste Möglichkeit da entlang geschickt hat, ist mir schleierhaft.

Die Programmierer von Garmin müssen diese Gegend wohl nur aus dem Weltraum betrachtet haben, gefahren ist dort definitiv keiner.

Es ist ein Gebiet, das die positive, z.T sehr attraktive Entwicklung Polens kaum erreicht hat.

Die polnischen Bauern in ihren Gehöften, die ebenso wie die Strassen in den letzten 30/40 Jahren kein facelifting abbekommen haben, müssen sich heute die Augen intensiv gerieben haben,

wer da wohl mit solch einem Gefährt durch ihre gottverlassene Gegend tuckert.

Wenn 90 kmh erlaubt waren, bin ich ca. 40 gefahren, wenn die Geschwindigkeit auf 40 reduziert werden sollte, waren 20 - 23 richtig, um über die geflickten und gelöcherten Buckelpisten zu jonglieren. Aus meiner Sahne im Kühlfach muss doch glattweg Schlagsahne geworden sein.

Und dann kauft diese verrückte Ausländerin auch noch "strong beer", machte mich die freundliche Dorfverkäuferin aufmerksam. Hatte sie ja auch recht, bei >7,2%.

Am Anfang machte es mir ja noch Spass, die Gegend so kennenzulernen. Am Nachmittg heute war es nur noch Anstrengung.

Erstaunlich war nur, dass die Strassen zu den russischen Grenzübergängen tip top breit und glatt waren!

 

Eine Szene war aber doch sehr speziell :

Nach einer Stunde Berg und Tal- Geschunkel, an der Kreuzung zur Strasse Nr 365 ( 3-stellige Nr. ist schon eine richtige Strasse wieder) bei Goldap - kurz vor der russischen Grenze -

muss ich die Vorfahrt beachten vor.....

 

Nee.... das gibt`s nicht....

 

einem Storch, der im Tiefflug von links auf der Hauptstrasse daherkommt.

Ich habe ihm die Vorfahrt gewährt!

 

Leider hatte ich so schnell den Fotoapparat nicht zur Hand. Echt schade, ich werde es malen müssen.


Eis- Einkauf in Leba

20.6.17 Ort des Geschehens:  Supermarkt in Leba, Ostseeküste Polen:

Ich nehme nach meinem Einkauf den Korb mit den Waren mit aus dem Markt, um meine Einkäufe draussen in der Radlpacktasche zu verstauen.

Danach will ich den Korb zurückbringen, muss dafür aber erneut durch die Automatiktüre am Eingang. Als ich drin bin, bemerke ich zwei Dinge,

1. durch diese Türe komme ich nicht wieder raus (wie logisch), muss also erneut durch den Kassenbereich.

 Kein Problem normalerweise, nur habe ich

2. das soeben schon bezahlte Eis in der Hand, weil ich es gleich essen wollte.

Da stehe ich nun mit dem Eis im Laden, will es aber nicht nochmal bezahlen.

Wie mache ich dies nun der polnischen Verkäuferin klar, die mich gerade da anschaut?

In meiner Geldbörse finde ich zum Glück den Bon. Ich zeige auf mein Eis, wedele ihr den Bon unter die Nase und radebreche etwas.

Sie denkt, ich will das Eis zurückgeben und blickt total irritiert.

Kein Verstehen möglich!

Schließlich sehe ich den offenen Kassenbereich und “flüchte“ einfach nach Draussen. Zum Glück protestiert sie nicht.

Uff, ...draussen esse ich erstmal das schon leicht triefende Eis.

Beim WoMo angekommen, entdecke ich zwischen meinen Einkäufen in der Radlpacktasche den Einkaufsbon.

 

Ähm, Owei, .....da habe der Verkäuferin einen zwei Tage alten Bon eines ganz anderen Ladens vor die Nase gewedelt.

Und auf dem Bon stand auch kein Eis drauf.....


Die Störche

Ein grosses Nest haben sie gebaut, wie eine Burg,  auf der Spitze eines Mastes.

Da oben steht, oft stundenlang, das Weibchen, bewacht die Jungen im Nest.

Nur selten bewegt sie sich, zuppelt mal am Gefieder, kratzt sich mit dem Fuss den Hals.

Dann wieder zupft sie die Jungen im Nest.

Ein schwaches Stimmchen ertönt und ein Schnäbelchen reckt nach oben.

 

Doch plötzlich, sie streckt den Hals und klappert aufgeregt mit dem Schnabel.

Es rauscht leicht und ein Ton, wie "schscht" erklingt.

Papa Storch rauscht im Gleitflug über das Nest hinweg.

Noch kommt er nicht, trinkt Wasser am Teich und stakst ewig pickend über die Wiese.

 

Doch dann, er kommt zurück, verändert den lautlosen Gleitflug, stellt die Flügel schräg,

bremst den Flug, streckt die langen Beine nach vorn zur Landung, punktgenau im Nest,

am Rand, denn in der Mitte liegen die Jungen und warten.

 

Plötzlich ein Gerangel, Gewusel, Gewurschtel im Nest.

Papa Storch würgt die Nahrung hoch, die Jungen balgen und schubsen und picken.

Mama schaut zu und ihr Gefieder ist grau und zerzaust.

 

Im Herbst werden die Nester leer, sie fliegen weg, alle im grossen Zug- nach Afrika.

Das würde ich gerne erleben.



Die Genozid-Gedenkstätte Paneriai bei Vilnius

29.06.2017: Auf der Fahrt nach Vilnius besuche ich die Gedenkstätte im Wald von Paneriai.

Auf der Fahrt dahin wolkenbruchartiger Dauerregen, zuletzt 4 km durch den Wald, die Strassen überflutet, es blitzt und donnert.

Mich überkommt ein sehr beklemmendes Gefühl, das Wetter verstärkt den Eindruck vom grausigen Ort, mich würgt es, Tränen...ich schlucke sie runter....

Am Ort der Gedenkstätte bin ich zunächst allein, ich bleibe noch im Auto sitzen,  und sehe eine sehr schlichte Stein-Tafel, eine Steinmauer mit Inschrift, ein Rondell...

Hier wurden von 1941 bis 1944    1 00.000 Menschen erschossen, 70.000 Juden aus der Region Vilnius, sowie Polen, kriegsgefangene Russen, Litauer, die Partisanen unterstützt haben, auch Kinder...... In Vilnius gab es ein grosses Ghetto für jüdische Menschen, alle mussten ihen letzten Marsch nach Paneriai antreten.

Wie haben diese Menschen sich gefühlt bei ihrem letzten Gang, zum letzten mal den Wald zu sehen, die Vögel zu hören, das letzte Gras zu fühlen, die letzte Luft....

Beteiligt an den Massakern waren nicht nur Deutsche, auch Litauer, die die Nazis unterstützten.

Es regnet immer noch , aber ich steige endlich aus dem Auto und gehe durch den Kiefernwald, immer wieder große Löcher und Gruben, mehrere grosse oder kleinere Gedenkstätten oder -steine.

Im kleinen Museum ist ein Führer da, er erklärt einige Fotos, Dokumente, Identitätskarten von Gefangenen. Fotos von jüdischen Familien, eine Art Schülerausweis eines Jungen, Kopien von Nazi-Anordnungen von 1941, dass Juden keine Verkehrsmittel benutzen dürfen, Händler nichts an Juden verkaufen dürfen...

Ein Augenzeugenbericht eines jüdischen Gefangenen, der zum Verbrennen der Toten mit eingeteilt war- er konnte 1944 flüchten.

Alles ist sehr aufwühlend für mich, aber ich wollte genau dies, ich wollte diese Konfrontation des Schreckens dieser damaligen Zeit und ich wollte gedenken.

Der Opfer und derjenigen Menschen, die in dieser Zeit ideologisch verblendet wurden und mitgemacht haben, Und doch ist es heute noch aktuell.

...Sehr still gehe ich nach einem Eintrag ins Gästebuch und einer Spende durch den regennassen Wald zum Auto, überall tropft es noch und eine Bahn der nahegelegenen Gleise rattert bis in meine Gedanken.


"Verfolgungswahn?" - Verdächtige Erlebnisse: in Litauen Strasse Nr 141 Richtung Klaipeda, immer paralell zur russisch-Kaliningrad-Grenze und zur Memel:

 Ich stoppte kurz in einer kleinen "Stadt", lies den Schlüssel stecken und den Motor laufen und lief zum Briefkasten 20 m zurück. Gleich darauf bremste ein PkW, stellte sich hinter meins, ein Mann stieg aus und beguckte seine Reifen, als gäbe es etwas... mich musterte er aus den Augenwinkeln. Uii, ich war nun sehr schnell. Vielleicht war es trotz meines Leichtsinns, den Schlüssel stecken zu lassen, die Musik lief auch, doch mein Glück, denn da sie von hinten kamen, mussten sie annehmen, dass eine zweite Person im Auto saß. Schwupps war ich wieder drin und froh, dass nichts passiert war.

Die zweite Situation kaum 10/15 min. später fuhr ein weinroter PKW sehr lange hinter mir her, aber er überholte nicht, was sonst alle tun, weil ich (zu) langsam fahre, und war mindestens an 4 Kreuzungen bei einer Stadtumgehung immer wieder hinter mir. Nur Zufall? Ich bekam es mit der Angst, es ist überall wenig Verkehr, zum Glück kam alle 500m Gegenverkehr. Schliesslich war es mir zu blöd, es kam eine Tankstelle, da bog ich schnell ein und wollte um Hilfe bitten. Der weinrote PkW bog ebenfalls in die Tankstelle ein, !!,

und blieb weiter hinten bei der Tanksäule fürs Gas stehen. Ich wartete kurz, stieg dann aus, blickte den jungen Mann des roten Autos direkt an und fuhr dann ganz plötzlich wieder davon.... Zum grossen Glück folgte er mir nicht mehr. 20 km vor Klaipeda war dann auch mehr Verkehr. Ich konnte nur langsam entspannen, hatte mir kein Essen und Trinken gegönnt, das war Stress!

 

Was hätte ich noch tun können? In der Tankstelle um Hilfe bitten, den Fahrer und das Auto fotografieren, oder mit Warnblinker ein entgegenkommendes Auto anhalten.... ich muss mir auch die TelNr der Polizei raussuchen.

 

Da ich nun weiter nach Norden fahre, weiter weg von der Grenze, hoffe ich, diese Situaion wird es nicht mehr so geben, aber wer weiß. Auf den Landstrassen ist wenig Verkehr, das begünstigt solche Strolche. Und im übrigen Litauen fühle ich mich sehr sicher. Auf jeden Fall werde ich mein Messer vorne in die Box legen.

 


Mein Abend in Tallinn , Samstag, 22.07.2017

Radl-Suche und Fahrt im Polizei-Auto

Nach dem ausgiebigen Stadtspaziergang in Tallinn, es wurde dann schon gegen 20 Uhr und kühler, begebe ich mich auf die Suche nach meinem Fahrrad-Abstellplatz.

Leider hatte ich keine Notiz gemacht, in welcher Strasse es abgestellt ist, aber ich weiss ja genau, dass es neben der Alten Stadtmauer war. In einem Hotel-Innenhof.

Mit meinem Stadtplan bin ich in der Strasse/ Gasse Laboratooriumi, da ist die schöne alte Stadtmauer, ich gehe auf und ab und finde weder ein Hotel noch den Zugang zum Innenhof, so wie ich ihn in Erinnerung habe. Komisch.

Als nochmal die Strasse entlang, die Stadtmauer ist ja lang, aber an den anderen Stellen sind keine Gänge obenauf und ich hatte ja am Mittag, als ich kam, Leute oben auf der Mauer spazieren sehen.

Um den ganzen Häuserblock herum brachte aber auch keine Lösung, denn es schien, als ob es ein Häusergeviert wäre und der Innenhof nicht zugänglich. Also musste wohl das Tor, als ich heute da war, geöffnet gewesen sein und jetzt ist es wohl zu. Na so eine Sch.....

Wieder und wieder den Stadtplan geprüft, auf und ab marschiert, aber es musste so sein, das ist schon die richtige Strasse. Da kam doch ein Polzeiauto mit zwei jungen Polizistinnen, die wussten aber auch keinen Rat, als mir „good luck“ zu wünschen und im Notfall 112 anzurufen.

Anrufen als Variante fiel aber aus, da mein Handy indessen leer war und das Ladegerät in der Radlpacktasche lag.

Nochmals suchte ich die Strassen ab, umging die Häuser mehrmals, suchte die anderen Teile der Stadtmauer ab, aber keine andere Lösung. Ich hatte mich darauf versteift, dass mein Fahrrad in der Haus-Nr 24 hinter dem grünen Tor stehen musste.

Auf mein Klingeln an der Haustüre nebenan öffnete auch niemand.

Also blieb keine Wahl, ich musste zur Bushaltestelle, es war mittlerweile halb 10 und morgen einen erneuten Anlauf machen, in der Hoffnung, dass das Tor dann offen ist. Mein Herz pumperte ziemlich heftig. So ein Mist, warum habe ich beim Abstellen kein Foto gemacht, warum habe ich nicht genauer aufgepasst? Bisher lief alles so wunderbar, nichts ist weggekommen, und nun das durch meine eigene Dummheit.

Mein schönes Radl!!! Heul, heul...!

Im Geiste prüfte ich schon die Hausratversicherung...., wo ich jetzt unterwegs ein neues Rad herbekommen würde....., ob ich nach Lettland zurückfahren solle, da die Räder dort sicher billiger sind....., was genau in der Radlpacktasche war,..... meine Gedanken kreisten, ich war innerlich ziemlich flatternd.

In der Stadt war Party, Massen von Touristen und flanierenden, feiernden, trinkenden, zT auch grölenden Menschen. Ich schaute keinen an, war paralysiert und musste durch die Massen zur Bushaltestelle. Am Ende der City sehe ich ein Zivilfahrzeug wartend stehen, aber innen sitzen Polizisten. Ich lese „Politsei“. Die müssen auf Streife sein, wegen dem Chaos in der Stadt . Kurze Überlegung, "was können die denn noch tun für mich, ach das hilft ja auch nichts".....dann gehe ich doch hin, klopfe und trage ihnen mein Anliegen vor. Und zeige genau die Stelle, wo mein Rad sein muss, auf der Karte. Kurze Beratung, dann lassen sie mich einsteigen und wir fahren zum „Tatort“.  Aber auch die Polizei kann keine verschlossenen Tore öffnen, die Anfrage im Präsidium, wer da wohnt, bringt auch nichts und nach einiger Wartezeit, unschlüssig wir alle, was zu tun wäre, sage ich, dass ich dann wohl jetzt erstmal zum Bus muss, um zu meinem Auto zu kommen auf dem Harbour-camp.

Als ich ihnen das sage, erklärt sich der junge Fahrer sehr freundlich bereit, mich dorthin zu fahren. Die anderen schweigen. Einer guckt bissl böse.

Es ist 23 Uhr, das nehme ich nun gerne an. So werde ich, begleitet von drei Polizisten, schwer in Schutzweste gekleidet, mit Pistolen bewaffnet und ziemlich trainiert aussehend, zwei davon mit sehr ernsten Mienen, zum Campingplatz gefahren. Dass ich schon seit zwei Stunden aufs Klo muss, wird mir jetzt wieder sehr bewusst.

 

In meinem WoMo angekommen, sehe ich mir das Foto vom Handy im Laptop genau an, das ich als erstes gemacht habe, nachdem das Rad abgestellt war. An der rechten Stadtmauer- Seite sind Buden von Händlern, an der Hausmauer links ist ein Schild mit “HOT“ zu lesen. Komisch, das habe ich nicht gesehen, als ich zum zehnten male durch die Gasse gegangen bin.

Die Nacht war alles andere als erholsam, ich schlafe kaum, wache ständig auf, habe alle Gedanken immer wieder auf die Gasse an der Stadtmauer gerichtet und verstehe es nicht.

Am Sonntagmorgen bin ich früh auf, aber so zeitig muss ich nicht in der Stadt sein, vor 10 wohl nicht.

Ich erkläre mein Malheur in der Campingrezeption und fahre dann mit dem Bus und deren guten Wünschen in die Stadt.

Den Stadtplan in der Hand will ich wieder die ganze Altstdt durchqueren, um zu der Laboratooriumi zu kommen.

Am „Eingang“ zur Altstadt sehe ich mich bissl um, schliesslich war hier gestern alles voller Menschen und ich war in der Nacht wie in Trance hier lang......und sehe dann gleich rechts eine Stadtmauer !

 

Häh, hier ist auch ein Stück der Mauer?    Und das sieht so aus, wie auf dem Foto!

Ich gehe die Gasse rein, die Händlerinnen öffnen gerade ihre Verkaufsbuden.

Und an der linken Hauswand ist ein Schild mit senkrechter Schrift „HOTEL“.

Gleich dahinter eine grosse Durchfahrt in den Innenhof, die geht gar nicht zu verschliessen und ich gehe noch immer ungläubig dahinein und sehe nun mein Rad mit der orangenen Packtasche schön angeschlossen in aller Ruhe dort stehen.

 

Mir schiessen die Tränen in die Augen und ich möchte am liebsten mein Rad küssen und mich selbst umarmen. Und losschreien, um den Druck loszuwerden.

Mein Rad ist wieder da, ich habe es gefunden! Hurra, hurra!

So eine Erleichterung!

 

Die gestrige Polizeiaktion beschämt mich jetzt ziemlich, denn ich habe diese drei natürlich von ihrem wichtigen Auftrag ziemlich lange abgelenkt.

Und was ich zukünftig beachten werde beim Abstellen meines Rades ist ja ganz gewiss.


Touristen - sind ja eine eigene Kategorie Menschen, sie dringen kurz mal in die Lebensbereiche der Einheimischen ein, begucken, begaffen und begrapschen alles, wollen sich bedienen lassen und guten Service, können natürlich keine Sprache des Landes und leben in ihrer eigenen Reise-Welt, ohne zu wissen oder auch wissen zu wollen, was in dem Land, der Stadt wirklich los ist. Natürlich gehöre ich irgendwie auch dazu.

Ob man aber zu den touristischen Zielen mit Ruhe und Respekt oder Eile und Desinteresse kommt, ist ja gestaltbar. Bus- und Schiffsreisen mit „Hop on hopp off- all inclusive-Service“ sind natürlich geeignet, viel in kurzer Zeit zu sehen. Und für Menschen, die nicht (mehr) individuell reisen können und wollen, gibt es fast keine andere Möglichkeit.

 

Bei meinem Aufenthalt am Sibelius-Monument in Helsinki hatte ich folgende Erlebnisse/ Gedanken:

Es ist unglaublich, wie schnell so eine Busladung asiatischer Touristen sich einer Sehenswürdigkeit bemächtigt, in, auf und unter diese kriecht, sofort die Sehenswürdigkeit mit ihrer Person - einzeln oder in Gruppen- ablichtet und gleich darauf wieder verschwindet. Es ist - auch für die anderen Besucher - keine „Andacht“, kein Erspüren des Geistes dieses Kunstwerkes mehr möglich.

 

Ob diese Menschen auch nicht gläubig sind?- war meine Frage, denn selbst das Innere einer phantastischen Kirche wird mit einem lauten Gesprächsschwall in einen normalen Marktplatz verwandelt. Nicht mal die Musik einer Künstlerin konnte die Aufmerksamkeit an sich ziehen. Beschämend, wenn dann über Lautsprecher um Ruhe gebeten werden muss....

 

Aber nun genug mit meinem Geläster, ganz sicher sind auch diese ganz normale freundliche Menschen, die nur durch die Gruppendynamik und das Reisefieber getrieben sind. Eine Pauschalisierung ganzer Völker ist ja gefährlich, das wissen wir Deutschen auch nur zu gut.


Freundlichkeit der Finnen:

war es nun mein Outfit im Kleid oder Rock oder ist es in Helsinki/ Finnland normal, das Fremde, z.T ungefragt Hilfe oder ein nettes Gespräch angeboten bekommen?

Mir sind, anders als in den Baltischen Staaten, besondere, auch unaufgeforderte Freundlichkeiten zuteil geworden, die mich überrascht haben. Da es nicht nur eine einzelne Episode war, muss es am Volk , an der Stimmung im Lande liegen:

 

- U-Bahn Helsinki: ich gucke suchend um mich, wie geht das mit der Fahrkarte? Da bekomme ich Hilfe von einer Frau mit einem ca. 10 jährigen Jungen, der ganz besonders bemüht ist, mir in tollem Englisch zu erklären, wie alles funktioniert und wie ich auch wieder zurück komme zu meiner Station.

Netterweise treffe ich die Frau am nächsten Tag nochmal in der U-Bahn-Station. Wir begrüssen uns schon wie alte Bekannte.

 

- Ich bitte einen jungen farbigen Mann mit „Musik im Ohr“ um Auskunft zum Weg, er läuft sehr nett sofort mit mir zur Kreuzung zurück und erklärt mir den Weg

 

- eine Frau steigt vom Rad ab, um mir Hilfe anzubieten, da ich mit dem Stadtplan suchend umherblicke

 

- in der U-Bahn Helsinki setzt sich ein älterer Herr zu mir, packt sein Buch aus und will lesen, dies erklärt er mir kurz finnisch. Da ich „nix verstehen“ signalisiere,, zeigt er mir als erstes, dass er ein Buch von Chrustschoff liest ( ich bin total verdutzt) und dann mit mir in deutscher Sprache eine Unterhaltung beginnt, sein Vater hätte gesagt, dass er Deutsch lernen müssse in der Schule, wenn er Ingenieur werden wolle. Zu meinem Thema „allein reisen“, sagt er, das hätte den Vorteil, dass man sich mit niemandem über den Weg streiten muss....:o)), wie wahr!

 

- in Kerimäki, vor der grossen Holzkirche, sitze ich mit offener Tür im Auto und esse Eis, ein Pkw hält neben mir und ein Herr spricht mich auf Deutsch an, woher ich komme und was mein Weg ist, und ich müsse mir unbedingt Kuopio ansehen, das sei schliesslich seine Geburtsstadt.

 

- nicht mit Finnen, aber in Finnland war folgende Begegnung:

ich raste an einem Parkplatz am See, da hält hinter mir ein roter PkW mit russischem Kennzeichen, heraus steigt als erster ein Mann, hüpft zum See hinunter und fragt mich auf deutsch, ob man hier baden könne. Ich bin verwundert, dass er so gut deutsch spricht. Weiterhin gehören zum Auto eine Russin aus St.Petersburg und eine Deutsche aus Berlin. Da ich gerade Kaffee koche, biete ich der illustren Reisegesellschaft auch einen an, den nur die Russin annimmt.

Im Verlaufe des tollen Gesprächs gehen wir zum Du über und ich erhalte von Tatjana und Sergej eine Einladung nach St.Petersburg. Natürlich halte ich diese schöne Begegnung im Foto fest. Danach fährt es sich beschwingt viel besser.


Eine bedeutsame Frage nach dem Unbewussten

Das „Warum?“

 

Die Entdeckung des Feuers hat ja, wie wir wissen, im Verlaufe von Äonen wesentlich dazu beigetragen, dass die Menschheit heute ohne wärmende Eigen-Fell-Hülle existiert.

Ja, das Feuer war wohl das Basiselement, das Menschen beflügelte , auch andere Wärmequellen zu erforschen und nutzbar zu machen.

Eine zweite wesentliche Voraussetzung für diese Entwicklung war aber auch, dass mindestens Einer aus der in Pelz gehüllten, vor Kälte bibbernden Runde eine wichtige Frage gestellt hat:

Warum?

Warum sammeln wir nicht Holz und stellen Einen von uns als Feuerwache an, damit es nicht ausgeht. Dann haben wir es immer warm.

 

Nichts leichter als das, also, sich heute, wenn es zu kalt ist, des Feuers von aussen zu bedienen, wenn liebevolle Wärme im Bett und/oder kräftige körperliche Bewegung gerade nicht möglich oder sinnvoll sind.

Natürlich haben wir längst herausgefunden, dass Daunenjacken, Wollsocken und Merino-Unterwäsche trotz ihrer tierischen Herkunft ( oder wegen?) die Körperwärme viel besser halten, als Baumwolle oder Fleece.

Aber WARUM, wenn man friert, nicht beides nutzen?

 

Da fährt nun solch eine mitteleuropäische, bekanntermassen frostempfindliche, ältliche Frau ohne liebende Begleitung in den Norden und wundert sich, dass es kalt ist und sie friert. Und jammert ein bisschen.

 

Und sie ist aber auch stolz auf sich, dass sie es mit Widerstandskraft und Einlassen auf das kalte SEIN, ganz gut bewältigt hat, nicht krank geworden ist und nur Wollsocken, Daunenschlafsack, Decke, 5x Zwiebelschichtkleidung und ganz selten ein Schnäpschen verwendet hat.

 

Und dann, nach 3,5 Monaten der Reise, als es schon wieder fast 10°C draussen hatte, stellt doch in der warmen Küche des Campingplatzes ein bis dato fremder Mensch die Frage:

 

WARUM ?

 

                 „Warum hast Du denn die Heizung im Auto nicht benutzt?“

 

(Anmerkung für Unwissende: mein Ford Nugget hat eine Diesel-Standheizung)

 

Ja, warum?

 

Um Antwort ringend ( Abenteuerlust, Testen, was ich aushalten kann, Ablehnung des „Verweichlichtseins“, meine kleine Expedition, Hochgebirgs-Standhaftigkeit....) kreiste dieses „Warum“ noch drei Tage später im Hirn der Reisenden.

 

Und als es dann auf der Hardangervidda auf 1000 m Höhe morgens 3,5°C hatte, probierte sie (heimlich, dass es ihr Gewissen nicht sah) die Standheizung aus.

Ohhh... Ahhh ...unglaublich... wie gemütlich.... !

 

Fazit: Wenn man es selbst nicht rafft, es braucht immer einen Menschen von aussen, der unbedarft daherkommt und fragt:

 

WARUM ?     

 

Nachtrag:

Als zusätzliche Rechtfertigung (sie weiss, dass dies nicht nötig ist..) des bisherigen Nicht-Tuns kann noch ein technisches Detail dienen: auch die Standheizung benötigt Energie aus der zweiten Autobatterie. Und diese Energie war immer für Laptop, Handy, Fotoakku und Kühlschrank nötig.....ähäm, wieso Kühlschrank, wenn es eh so kalt war?

 

Aber waren denn die anderen, inneren, unbewussten Gründe unwichtig?

Auch dieses (Nicht)Handeln, das Ausprobieren „was halte ich aus?“ und „wie halte ich das aus?“ hatte seine volle Berechtigung:

 

- sich von gewissem Komfort zu lösen,

- nicht alles zu nutzen, was der menschliche Geist an Überfluss erfindet,

- zu erleben, „wie geht es mir“ unter schwierigen Bedingungen,

- zu erfahren, wo ist der Mittelweg für mich zwischen Askese, bewusstem Verzicht und Überfluss.

 Darüber mit Anderen zu reden und zu reflektieren, das möchte ich gerne.

 

(Karin am 16. September 2017 auf der Hardangervidda/ Norwegen)


FREIe HEIDe

In Rheinsberg, einer Kleinstadt zwischen Brandenburg und Mecklenburg lese ich an einem Plakat die Vorgänge um die Initiative „FREIe HEIDe“. Und ich sehe beim Fahren über die Landstrassen immer wieder Mahnschilder u.a. Hinweise auf diese Aktionen. In einem grossen Waldstück, in der Kyritz-Ruppiner Heide existierte während der ganzen DDR-Zeit ein sowjetischer Truppenübungsplatz, genannt Bombodrom, es wurden Schießübungen durchgeführt und Bomben-Abwürfe von Flugzeugen geübt. Nach dem Abzug der sowjetischen Amee übernahm die Bundeswehr das Areal und wollte es weiterhin gleichartig nutzen. Dazu regte sich enormer Widerstand der örtlichen Bevölkerung, die endlich ein Ende der Flugbelastung und des Schießlärms forderten. Die Region ist auf den Tourismus als Wirtschaftskraft angewiesen. Es dauerte 17 Jahre, 27 Gerichtsverhandlungen, die die Bundeswehr alle verlor, ehe endlich der Protest Erfolg hatte und die Bundeswehr den Verzicht auf den Platz als Bombenabwurfübungsplatz erklärte. Im Jahre 2007 erhielt die Initiative FREIe HEIDe den Göttinger Friedenspreis.

Dieser Erfolg hat nun zwar ein Ende der „Kriegsspiele“ bewirkt, aber....

 

Ich bin als Tourist in dieser Region und fahre an einem seit vielen Jahren gesperrten grossen Waldstück vorüber. Alle 20/30m lese ich ein grosses Schild: „Lebensgefahr - Kampfmittel - Betreten und Befahren verboten“.

 

 Was soll das, wo bin ich gelandet und bin total irrtiert. Das verunsichert mich wirklich.

 

Es ist also ein seit vielen Jahren gesperrter Wald, ein Kiefernwald, tolle Pilzgegend....und ich darf da nicht rein. Wo leben wir denn? Wie gefährlich ist denn das? Offenbar lagern dort noch immer Kampfmittel, Gifte, evtl nicht detonierte Sprengkörper? Eine schreckliche Vorstellung für mich.

Warum wird das Gebiet nicht beräumt? Ist das zu teuer? Schilder sind billiger, klar. Als wenn es sich um Strassenlöcher handeln würde, die auch oft jahrelang nur mit Schildern „kaschiert“ werden, statt sie füllen.

In einem Online-Artikel dazu lese ich, dass die Kosten der Munitionsberäumung auf 600 Mio € geschätzt würden

Mir scheint, sowohl die Bürgerinitiative als auch weitere mächtige Kräfte müssen erneut aktiv werden für eine wirkliche Freie Heide, die auch von den Anwohnern und Besuchern betreten und genutzt werden kann.

Obwohl ich zuvor nie etwas gehört hatte davon, war ich mächtig stolz auf diese Menschen, die mit friedlichen Protesten einen Erfolg geschafft hatten für ihre Region.